Heute nehme ich mir die journalistische Freiheit heraus, um den Reisebericht über meinen Aufbruch in die KI-Kunst zu präsentieren. Gonzo Journalismus quasi, eine Form des Journalismus, die auf Basis subjektiver Erfahrungen und Emotionen beruht (eben wie ich es in den letzten Artikeln bereits gehandhabt habe). Und auch auf dessen Begründer Hunter S. Thompson werde ich kurz zu sprechen kommen.
Alles fängt mit einem einzelnen Wort an /imagine – Das ist jener Befehl, den man via discord [1] in das generative AI-Programm Midjourney tippt, um seine in Worte gefassten Überlegungen (sogenannte “prompts”) und Fantasien in kaum vorstellbaren Bildern erscheinen zu lassen. Schnell begreift man, in welches Synapsen kackendes Wespennest man gestoßen hat. Die Möglichkeiten erscheinen grenzenlos, wenn uns die KI, als verlängert Arm auf der Kunstwerkbank, zur Hilfe eilt, und sich mittels “text to image” unsere Gedanken zu visuellen Erlebnissen gestalten lassen. Man gibt seinen “Bildwunsch” in die Befehlszeile ein, mixt noch bestimmte Stilvorstellungen, Lichteinfälle oder Ansichtsformate darunter, und prompt erhält man den Vorschlag als Viererraster mit dem “gewünschten” Ergebnis. Anfangs mischt sich Euphorie in den Prozess, wenn man sich an den unendlich anmutenden Kompositionen erfreut.
Doch auf das “High” folgt auch schnell der Kater, wenn das Werk eben nicht den Vorstellungen entsprechen will, und sich der Prozess über längere Strecken auch als frustrierend darstellt. Oft sind zahlreiche Iterationen notwendig, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen; und selbst dann können noch viele weitere für den Feinschliff erforderlich sein. Das kann bei jedem handwerkliche Ansatz aber ebenso sein. Und letztlich legt man zur Vollendung seiner Komposition nochmals selbst Hand an.
Es drängen sich mir viele Fragen auf: Verlieren wir den Blick aufs künstlerische Detail oder entdecken wir ein neues ästhetisches Bewusstsein? Entdecken wir großartige Meister, die sonst nie einen Pinselstrich gewagt hätten, oder wird Kunst endgültig zur Massenware? Wahrscheinlich sind die Grenzen auch hier fließend und die wahre Kunst liegt darin, auf subversive Art damit zu spielen (wie die warholschen “Campbell’s soup cans”).
Gleichzeitig wirkt das Durchlaufen dieses Prozesses befreiend auf mich. Der Vorstellung sind wenig Grenzen gesetzt, die handwerklichen Fähigkeiten für die ursprünglichen Entwürfe nicht limitierend. Der Sprung in die KI-Kunst kann ein wilder Tripp in die eigene Fantasie und Imagination sein… Fear & Loathing in AI eben… ebenso wie nur ein am Rande des Wahnsinns stehender Hunter S. Thompson über einen wahnsinnigen Ort wie Las Vegas schreiben und urteilen kann, muss man sich auf diese Reise schon einlassen, wenn man daraus neue Erkenntnisse schöpfen bzw. die im Inneren entwickelten Vorstellungen und Bilder zu Tage fördern möchte.
Die KI-Kunst erlebe ich als Aufleben des Eklektizismus; man bedient sich unterschiedlicher Stile, Methoden und Themen, um deren Elemente letztlich neu zusammenzusetzen. Was ich auf jeden Fall wahrnehme, ist die Schärfung des eigenen ästhetischen Empfindens. “Taste is the new skill” so Claire Silver, einer der renommierten (gelegentlich auch kontroversiell diskutierten) AI-Künstlerinnen. Es ist Fingerabdruck und Signatur der Künstlerin und gleichzeitig, was einen Künstler / Menschen ausmacht. “AI is a camera for your imagination”. Ein interessanter Ansatz, den ich immer mehr akzeptiere. Letzten Endes spiegeltsich in unseren Vorstellungen unser Wesen, bedingt durch Prägungen und Erfahrungen, wider. Was wir tagtäglich in uns und um uns zum Ausdruck bringen, ist, was uns ausmacht.
Hier lässt sich ebenso die Brücke zu einer neuen (alten) Kunstform schlagen. Generative Kunst…Bei der ein autonomes System (in der modernen Welt der Algorithmus) unter Setzung der Rahmenbedingungen durch den Künstler, Merkmale und Ausprägungen eines Kunstwerks festlegt und dadurch gestalterisch tätig wird. Hier möchte ich gerne Taylor Hobbs als ein bekannter Vertreter der generativen Kunst zitieren, da seine Worte auch bei mir ein Aha-Erlebnis auslösten:
“What constitutes a generative system is much broader than many people may think. It doesn’t even need to envolve code. It’s really about the artist adopting a mindset and a practice that removes themselves from complete control over the final outcome. The artist is really thinking about how to construct a system with interesting possibilities that might surprise even the artist in terms of their outcome.”
Und hier der Umkehrschluss zu generativen KI-Programmen, deren (durch uns gewählte) “text-toimage”-prompts letztlich den Rahmen für den Schaffungsprozess liefern.
Wir könnten hier noch bis zum Morgengrauen weiterphilosophieren und in unserer philosophischen Betrachtung so weit abdriften und behaupten, dass bereits das Frühstück einer Künstlerin deren künstlerischen “Output” bestimmt, da es sich wesentlich (oder in Nuancen) auf ihre Gefühlslage auswirken könnte; Biochemie als generativer Prozess. Doch ich glaube es ist für den ersten Gang genug. Die Synapsen haben bei mir bereits zwei-/dreimal zu oft geknackt, und ein gänzliches Abtauchen in die Welt des Hunter S. Thompson ist dann doch nicht mein Ziel… zu viel fear and loathing.
Ich bleibe den Anriss und Abriss spannender Themen wie Originalität, Copyright und dem “Tod der Kunst” in Zusammenhang mit KI-Kunst an dieser Stelle schuldig. Aber generell halte ich es so wie einer der bekanntesten Künstler und deshalb schließe ich auch mit einem Zitat von Pablo Picasso Banksey: “The bad artist imitate. The great artists steal.”
[1] Eine unter Gamern und Crypto-affinen Usern beliebte Social-(Media)-Plattform.